Eine verrückte Zeitreise

Eine verrückte Zeitreise

Park und Schloss Branitz ist die Zutat, die bei keinem Cottbusbesuch fehlen darf. Hier hat der exzentrische grüne Fürst Hermann von Pückler-Muskau Pyramiden in die karge Landschaft gebaut, Berge versetzt und Wasserläufe geformt. Wir sind zur Begrüßung mit Stiftungsdirektor Dr. Stefan Körner verabredet, der uns kurzerhand mit einer Begeisterung und Dynamik in einer reich pointierten Park- und Schlossführung in seinen Bann zieht, dass unsere Mittagsmüdigkeit sofort verfliegt. Von der Gutsökonomie führt er uns zum Schloss und erzählt unterwegs, wie Pückler mangels Vermögen mit 60 Jahren seinen Stammsitz samt wunderschönem Landschaftspark in Bad Muskau veräußern und ins karge Branitz umsiedeln musste. Das Schloss war seinerzeit vom Dorf umgeben, die Umgebung glich einer Wüste. Gottseidank sollte Pückler noch 20 weitere Jahre leben und in Branitz seine Kunst der Landschaftsgestaltung vollenden. Stefan Körner erschließt uns auf dem Weg zum Schloss ein Landschaftsgemälde nach dem anderen. Was Pückler vor eineinhalb Jahrhunderten mit Erde, Pflanzen und Wasser schuf, eröffnet heute Blicke, die man auf der Stelle rahmen und mit nach Hause nehmen möchte. An einer Schautafel zeigt uns Stefan Körner die Dimension des Parks. Rund 100 Hektar misst der Innenpark, mit Außenpark sind es rund 620 Hektar. Mit seiner lebendigen Schilderung nähern wir uns Pückler räumlich wie persönlich. Unser Blick schweift in den Außenpark, während wir durch den Innenpark Richtung Pleasureground wandern, jenen schlossnahen Grünanlagen, die einst nur der Fürstenfamilie vorbehalten waren. Bevor wir das Innerste, das Schloss betreten, drehen wir noch eine Runde um das barocke Bauwerk. Auf Schritt und Tritt weist uns Stefan Körner auf Details hin und hat immer eine illustre Geschichte parat. Hier eine majestätische Blutbuche, die Pückler bei seinem Umzug aus Bad Muskau mit nach Branitz brachte, dort der Rosenhügel mit Blick auf ein kleines Beet, an dessen Stelle Pücklers Lieblingshund die ewigen Jagdgründe betrat, dort eine Skulptur der Opernsängerin Henriette Sontag, der Pückler einst sogar einen Heiratsantrag machte. Stefan Körner ist völlig in Pücklers Universum versunken und wechselt fast unbemerkt die Zeitebene. Plötzlich sind wir mitten in Pücklers Zeit und genießen die lebendigen Schilderungen, als würde der illustre Fürst gleich waghalsig auf dem Ballon angeflogen kommen oder auf einer Kutsche mit weißen Hirschen vor dem Schloss vorfahren. Im Schloss, das heute durch den Eingang an der Seite betreten wird, nimmt er uns mit zum Haupteingang und gibt uns das Gefühl, als würden wir Pückler in seiner Zeit besuchen. Es ist das große Glück von Branitz, dass Pückler sein Leben von Bad Muskau mit hierhernahm, dass man dem Exzentriker hier nahekommen und seinen vielen Geschichten nachspüren kann. Nach einem Blick in seine Salons und das Schlafzimmer, dass er eigens für Königin Augusta einrichten ließ, nimmt er uns mit in die Orienträume, wo Pückler in staatsmännischer Manier mit orientalischer Waffensammlung seine Gäste empfing. Aus der geplanten Begrüßung wird ein kurzweiliger Historienfilm. Man mag gar nicht glauben, dass der versierte Kunsthändler erst seit diesem Jahresbeginn die Stiftung leitet. Das Kamenzer Pärchen ist binnen einer Stunde vom Pückler-Virus ergriffen, so bunt und lebendig ist der Blumenstrauß, den uns Stefan Körner mit auf den Weg gibt. Der verrückte Fürst hat hier einen ebenbürtigen Erben gefunden. Bei einem Blick auf den Parkplan wird uns schwer ums Herz. Hier braucht man einen halben Tag, um sich der Genialität des grünen Fürsten und den Spuren seiner Lucie zu nähern. Der gesamte Park ist eine Ode an die Weltoffenheit, er eint Glaubenssymbole und Geschichten aus allen Religionen. Wir spazieren vorbei an der Schlossgärtnerei, in der Pückler einst Ananas kultivierte, vornehmlich um seinen Damenbesuch zu beeindrucken. Es geht über romantische Brücken entlang verspielter Wasserläufe. Immer wieder entfalten sich überraschende Sichtachsen, wird Landschaft zum Gemälde. Mit schnellem Schritt kommen wir an unser Ziel, Pücklers Totenreich mit den berühmten Pyramiden. Mit der Seepyramide plante Pückler die Selbstinszenierung über den Tod hinaus, dort ruhen seine Überreste an der Seite seiner Lucie. Um die zweite Landpyramide und den Hermannsberg am Horizont ranken sich viele weitere Legenden. Eigentlich wollten wir auf dem Rückweg einen Abstecher in die „Goldene Ananas“ machen – das liebevolle Parkcafé am Rande der Schlossgärtnerei sei jedem für eine süße Nachmittagspause inmitten der Parkatmosphäre empfohlen. Leider ist unser Zeitplan inzwischen aus den Fugen geraten und ich ahne, dass der nächste Ort mit Blick auf die Baderei des Kamenzer Pärchens wiederum spannende Geschichten parat hält, die erzählt werden wollen.

Park & Schloss Branitz
Navigation zum Parkplatz: Kastanienallee 29, 03042 Cottbus
Telefon 0355 75150
Park: ganzjährig geöffnet
Schloss: 01.05.-31.10.2020 tgl. 10-18 Uhr, 01.11.-31.12.2020 Di.-So. 11-16 Uhr
Besucherzentrum: 01.05.-31.10.2020 tgl. 10-17 Uhr
www.pueckler-museum.de 

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