Wo Bäume ein Diplom erhalten
Foto: Ben Peters, codiarts

Wo Bäume ein Diplom erhalten

Oder wie Pückler seinen Bäumen statt einer profanen Baumschule akademische Ehren zusicherte, ihnen sonderbare Wagen baute und heute als Vorbild beim Klimaschutz dient.

Für Fürst Pückler waren Bäume von außerordentlicher Bedeutung, denn Bäume bilden bekanntermaßen die Hauptstruktur eines Landschaftsgartens wie des Branitzer Parks. So verwundert es auch nicht, dass Pückler alle Hebel in Bewegung setzte, um mit speziellen, übermannshohen Baum-Maschinen hunderte größere Bäume aus dem näheren und weiteren Umfeld in seinen Park versetzen zu lassen. Das alles mit dem Ziel, als über 60jähriger Mensch noch zu Lebzeiten etwas von den künstlich geschaffenen Landschaftsbildern zu erleben, die er durch diese Bäume rahmen ließ. Viele Bäume wurden dabei vorübergehend in die Schlossgärtnerei verpflanzt, um sie für eine spätere Verpflanzung in den Park vorzuhalten. Natürlich fehlte einer profanen Baumschule für unseren schillernden Fürsten der notwendige Glanz, den er wie kein anderer seiner Zeit zur Selbstinszenierung zu erzeugen verstand. So nannte er das Wartezimmer für den Park seine „Baumuniversität“, die erste ihrer Art. Mit einem Augenzwinkern sei dabei vermerkt: die 1853 angelegte Branitzer „Baumuniversität“ ist die mit Abstand älteste Universität der Pücklerstadt.

Verrückte Anekdoten rund um Pücklers Baumpflanzungen gibt es zur Genüge. Die Archive berichten zum Beispiel von Schadensersatzzahlungen, die Pückler 1848 zu leisten hatte, als beim Transport großer Bäume durch Cottbus Fensterscheiben zu Bruch gingen. Auf den ersten Blick wirkt auch der Einsatz von Pferde-, Kuh- und Schafsfleisch eigentümlich, das Pückler den Pflanzgruben vieler Bäume beigeben ließ. Dafür hatte der Fürst eine Kooperation mit einem Pferdefleischer in Kahren, der ihn mit tierischen Abfallprodukten versorgte. Dahinter versteckt sich jedoch nichts anderes als eine nützliche organische Düngung, die den Bäumen in den zumeist recht kargen Böden bessere Anwachsbedingungen verschaffte.

Heute gibt es wieder eine Baumuniversität in der Branitzer Schlossgärtnerei. Ein ausgewachsener Baumbestand mit einer spannenden Artenzusammensetzung soll hier für die Zukunft bewahrt werden. Somit wird der „Nachwuchs“ für den historischen Park gesichert, in dem viele Bäume aus der Entstehungszeit ihre Lebenserwartung weitgehend erreicht haben. Dabei soll eine neue Generation an Parkgehölzen entwickelt werden. Für besonders prägende Bäume, wie die große Blut-Buche am Schloss oder die große Grau-Pappel am Schilfsee, wurde rechtzeitig für genetisch identische Nachkommen gesorgt. In Zusammenarbeit mit der Berliner Humboldt-Universität wurde z.B. die große Platane an der Rosenlaube im sogenannten in-vitro-Verfahren im Reagenzglas vermehrt. Inzwischen widmet sich die Branitzer Baumuniversität der Anpassung an klimatische Veränderungen, strebt Kooperationen mit weiteren Hochschulen an und gilt bundesweit als Vorbild. Das hat der Visionär Pückler sicher schon damals geahnt, als er seine Bäume akademisierte.

Baumuniversitaet

Wo Fürst Pückler einst Ananas kultivierte und Bäume für den Branitzer Park heranzog, wurde seine Idee einer Baumuniversität neu belebt.

Die Baumuniversität im Detail

Es braucht heute keinen Visionär mehr, um die zentrale Herausforderung der Lausitzer Parklandschaften zu erahnen. Ein Blick auf den Dürremonitor Deutschland genügt, um die Wasserknappheit und die zunehmende Trockenheit in Lausitzer Böden zu erkennen. Der Klimawandel ist kein temporäres Phänomen mit ein paar trockenen Sommern, er macht sich bereits heute in der gesamten Vegetation nicht nur unserer Region bemerkbar. Trockenheit und extreme Wetterereignisse fallen mit zunehmendem Schädlingsbefall zusammen. Da Bäume bekanntermaßen die Hauptstruktur eines Landschaftsgartens bilden, steht und fällt die Zukunft der europäischen Parks immer mehr mit deren Resilienz im Klimawandel.

Genau hier wurde die Wiederentdeckung einer typisch Pückler‘schen Überhöhung zum Glücksfall. Wie in anderen Parks auch, wurden in Pücklers Park Branitz viele Bäume vorübergehend in bestimmte Quartiere verpflanzt, um sie für eine spätere Verpflanzung in den Park vorzuhalten. Natürlich fehlte einer profanen „Baumschule“ für den schillernden Fürsten der notwendige Glanz, den er wie kein anderer seiner Zeit zur Selbstinszenierung zu erzeugen verstand. So nannte er einige Wartezimmer für den Park seine „Baumuniversität“, die erste ihrer Art.

Um bei der Anlage des Branitzer Parks, der vormals spärlichen Kiefernwald auf sandigem Acker aufwies, in möglichst kurzer Zeit wirkungsvolle Bilder durch raumbildende Gehölzpflanzungen zu erreichen, ließ Pückler u.a. mit Hilfe seiner „Baum-Maschine“ hunderte Großbäume aus der Umgebung in den Park verpflanzen. Einige dieser Bäume bzw. auch Bäume aus den „normalen“ Baumschulquartieren wurden zunächst in die sogenannte „Baumuniversität“ verpflanzt, wo sie zu herausragenden Solitärbäumen herangezogen wurden und eine gute Kronenform entwickeln konnten. Hier konnten sich durch Umstechen und Humusgaben auch kompakte Wurzelballen entwickeln, was für die Auspflanzung in den Park und den Anwuchserfolg von Vorteil war. Die Baumuniversität(en) waren also genaugenommen Baumschulquartiere speziell für größere Bäume. Dabei ersann Pückler schon vor über 150 Jahren eine organische Düngung als Rezept gegen die kargen Lausitzer Böden und ließ den Pflanzgruben vieler Bäume Pferde-, Kuh- und Schafsfleisch beigeben. Mit einem Augenzwinkern sei vermerkt: die 1853 angelegte Branitzer „Baumuniversität“ ist die mit Abstand älteste Universität der heutigen Lausitz.

Was seinerzeit mehr Marketing als Universität in ihrer eigentlichen Bedeutung als Gemeinschaft von Lehrern und Schülern war, wurde nun von Pücklers Erben im Angesicht des Klimawandels mit neuen Inhalten wiederbelebt. Seit einem guten Jahrzehnt gibt es wieder eine Baumuniversität in der Branitzer Schlossgärtnerei. Heute wird hier tatsächlich geforscht wie an renommierten Forschungseinrichtungen. Forschungsgegenstand ist die Zukunft der europäischen Parks im Kontext des Klimawandels. Wie in der Lausitz leiden alte Bäume und damit insbesondere Parks in vielen Regionen Europas unter der zunehmenden Trockenheit. Nun gilt es, die grünen Denkmale mit Züchtungen und der Pflanzung neuer Baumarten für die Zukunft zu ertüchtigen und ihnen mehr Resilienz gegen den Klimawandel zu ermöglichen. In Branitz hat diese Arbeit bereits vor einigen Jahren begonnen. Derzeit werden u.a. verschiedenste Eichen mit unterschiedlicher Herkunft kultiviert und erprobt – darunter Ungarische Eiche, Zerr-Eiche oder Libanon-Eiche. Aber auch Kreuzungen aus heimischer Stiel-Eiche und Eichen aus südlichen Gefilden sind dabei. Ziel ist es, Bäume herauszufinden, die einerseits robust gegen Hitze, Trockenheit und Fröste sind, anderseits für den Laien nicht von den heimischen Arten unterscheidbar sind, weshalb neben der Resilienz Merkmale wie u.a. Habitus, Wuchshöhe, Blattform und -farbe und Rindenstruktur wichtig sind. Für besonders prägende Bäume im Branitzer Park, wie die große Blut-Buche am Schloss oder die große Grau-Pappel am Schilfsee, wurde rechtzeitig für genetisch identische Nachkommen gesorgt. In Zusammenarbeit mit der Berliner Humboldt-Universität wurde z.B. die große Platane an der Rosenlaube im sogenannten in-vitro-Verfahren im Reagenzglas vermehrt. Die Baumuniversität verfolgt dabei drei Ansätze zur Bewahrung, Entwicklung und Klimaanpassung, ein breiter Ansatz und viele Versuche sollen zu übertragbaren Lösungen führen:

  • Sicherung wertvoller historischer Sorten durch genetisch identische Vermehrung: Bewahrung genetischer Ressourcen und Vielfalt; Erhalt des authentischen Erscheinungsbildes von gestalterisch besonders wichtiger Pflanzen
  • Auslese robuster Pflanzen aus Naturverjüngung: sprich Sämlinge von Altbäumen – mit Potenzial für Angepasstheit, dadurch Verwendung heimischer Arten
  • Erprobung, Selektion und Vermehrung alternativer, robuster/angepasster Gehölze: alternative Arten, Arten aus anderen Ursprungsgebieten, Hybriden – denn allein auf die heimischen Arten kann man sich mit Blick auf die Schäden der vergangenen Jahre nicht mehr verlassen

Inzwischen widmet sich die Branitzer Baumuniversität aber der klimatischen Anpassung von Parklandschaften in einem europäischen Kontext. Das Bundesministerium des Inneren finanziert aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages die in Branitz bereits exzellent gediehene Forschung in den kommenden Jahren mit 5,5 Millionen Euro. Damit soll zunächst eine „Neue Branitzer Baumuniversität“ im Außenpark entstehen, in der Versuchspflanzungen und die Vermehrung angepasster Arten und Sorten nach modernsten Standards und mit wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt werden können. Denn die Baumschule in der Schlossgärtnerei stößt längst an ihre Grenzen. Die Vision reicht darüber hinaus bis zum Aufbau eines „Kompetenzzentrums für historische Gärten im Klimawandel“ – als Forum für die Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung und den Erfahrungsaustausch sowie Wissenstransfer mit anderen Parkanlagen. Das in der „Neuen Branitzer Baumuniversität“ entstehende Know-how und die hier entwickelten Anpassungsstrategien sollen auch anderen betroffenen Parkanlagen zu Gute kommen – vor allem auch denen in der Lausitz. Es besteht bereits ein Austausch mit dem Helmholtz GeoForschungszentrum, aber auch der BTU, HU Berlin oder dem Forstbotanischen Garten der Hochschule Eberswalde. Erste Kooperationen bahnen sich derzeit an. Weitere Partner sind das „Initiativbündnis Historische Gärten im Klimawandel“ des Schlösser und Gärten in Deutschland e.V., der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) und das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz. Damit hat die „Neue Branitzer Baumuniversität“ das große Potenzial, zu einem wichtigen Forschungsstandort für die Vermehrung wertvoller historischer sowie klimatisch angepasster Gehölze zu avancieren. Pückler hat das wohl schon vor rund 160 Jahren geahnt, als er die ersten Spuren einer Lausitzer Baumuniversität legte.

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