Von einem AfD-Hitler in Südkorea und der Kunst, stets dazu zu lernen

Von einem AfD-Hitler in Südkorea und der Kunst, stets dazu zu lernen

Oder wie David Lehmann schon in der Jugend die Leinwand der Party vorzieht, schnell erste Ausstellungen erhält, entdeckt wird, in Seoul mit brennender Pyramide Cottbuser Spuren hinterlässt und inmitten dieses Aufbruchs an die Kunst noch das Lehramt reiht.

Glaubt man Klischees, geht erfolgreiche Kunst mit krassen Drogenexzessen einher, deren kreativer Schub den gesamten Organismus derart fordert, dass für profanen Sport keine Substanz mehr übrig bleibt. David Lehmann hingegen trinkt nicht, raucht nicht, geht vier Mal in der Woche ins Sportstudio und unterrichtet tagsüber auch noch Jugendliche in der Schule. Dieser Prise Normalität steht ein völlig anderes Ich gegenüber, das mit knallbunten Farben experimentiert und es auf der Leinwand richtig krachen lässt. In die Farben mischt sich dabei jede Menge Philosophie und Psychologie. Kein Wunder, das mit Gelb die hellste aller Grundfarben ein besonderes Licht auf diese von Werten getragene Kunst wirft.
Mit fünf Jahren kam David Lehmann in die Pücklerstadt, das war kurz nach der Wende. Zuhause lief GZSZ in der Glotze und beim Abendbrot saßen nicht gerade Da Vinci und Thomas Mann mit am Tisch. Woher dennoch sein frühes Faible für Malerei und Kunst kam, ist der Familie bis heute ein Rätsel. In der Schule erschöpfte er sich in Skizzenhefte, während andere auf dem Hof bolzten oder tratschten. Später, im Heine-Gymnasium, war seine Kunstlehrerin die erste mit einem Gespür für das schlummernde Talent. Mit jener Frau Eckert und ihrem Hinweis, dass richtige Kunst mit Öl gemacht wird, brach er endgültig ins Universum der Malerei auf. David Lehmann studierte Otto Dix und Max Beckmann, ging in Museen – seine knappen Finanzen flossen in Ölfarben statt Disko und Kino. Mit 17 Jahren hatte er seine erste Ausstellung, ging zum Studium an die Universität der Künste nach Berlin und fand hier mit Valérie Favre seine nächste Förderin, deren Meisterschüler er fünf Jahre später werden sollte. Auf diesem Weg sammelte er bereits den Brandenburgischen Kunstpreis, erhielt erste große Ausstellungen – bei der BASF auf stattlichen eintausend Quadratmetern. Der ganz große Wurf kam dann 2019 mit dem Projekt „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ – einer Werkschau der besten Maler Deutschlands unter 40 Jahren in gleich vier großen Museen. Prof. Dr. Stephan Berg, Initiator des Projekts und Leiter des Kunstmuseums Bonn, kam persönlich nach Cottbus, um David Lehmann zu begutachten. Als einer der wenigen Ostdeutschen der Endauswahl setzte er ein politisches Statement: mit einem riesigen Triptychon samt grillendem AfD-Hitler, kotzenden Skinheads, linken Ideologen und knallgelber, brennender Pückler-Pyramide – schon damals wollte er sich von keiner Seite vereinnahmen lassen. Nach Ausstellungen in Bonn, Wiesbaden, Chemnitz und schließlich den legendären Deichtorhallen in Hamburg wurden zwei Schwestern aus Südkorea auf ihn aufmerksam, die Galerien in Seoul und Köln betreiben. Heute wird ein Großteil seiner Werke dort ausgestellt und verkauft. Noch emotionsgeladener war allerdings die Anfrage seines Jugendidols, des Starfotografen Martin Schoeller, der David Lehmann in seiner New Yorker Popup-Gallery ausstellen wollte. Schoeller hatte sie alle vor der Linse – Obama, de Niro und Baldwin. In seiner Jugend hatte David Lehmann jenes bekannte Jack Nicholson-Porträt aus Schoellers Hand an seiner Wand. Der Starfotograf kam sogar mit seiner Familie in Cottbus vorbei, stellte den Cottbuser Maler schließlich aus, fotografierte ihn – bis heute hält eine Künstler-Freundschaft.
Und dann kam Corona. Von einem Tag auf den anderen wurden Ausstellungen abgesagt, drohte die Malerei zur brotlosen Kunst zu werden. Mit guten Erinnerungen an jene Kunstlehrerin, die ihn zuallererst förderte, fand David Lehmann Sicherheit und neue Entfaltung als Quereinsteiger im Lehrbetrieb. Heute unterrichtet er vorwiegend Kunst am Gymnasium, gespickt mit Erfahrung, einer ausgeprägten Philosophie und einem guten Gespür für das Talent junger Menschen. Nicht selten schaut ihm sein Alter Ego aus jungen Jahren interessiert über die Schulter. Der Maler teilt sich mit dem Lehrer sein Leben und beides befruchtet einander. Zu seinen alten Idolen haben sich inzwischen abstrakte Amerikaner wie Jackson Pollock, dessen Frau Lee Krasner und Andy Warhol gesellt. Einen neuen Zyklus, der in seinem Cottbuser Atelier entsteht, prägen menschliche Bindungen, Emotionen, mehr Transzendenz und weniger vordergründiges Zeitgeschehen. Es ist ein farbenfrohes Universum, das immer einem Bogen folgt: jedes Werk beginnt mit gelber Grunddispersion, ist von Anfang an sichtbar und wird Farbe für Farbe aufgebaut, bevor der letzte Farbstrich wiederum einem Gelb aus Öl gehört.
Der extrovertierte Stil hätte Pückler sicher gefallen, auch wenn David Lehmanns Verhältnis zum einstigen Fürsten durchaus ambivalent ist. Er ist ebenso fasziniert von Pücklers Esprit bis hin zum Ritt auf weißen Hirschen und seiner Reiselust bis in den Orient, wie ihn dessen Missbrauch einer minderjährigen Sklavin abstößt. In Pückler erkennt er aber das Potenzial, aus der Pücklerstadt heraus aktuelle Debatten von Weltoffenheit bis zu „me too“ offen und offensiv zu führen. Es wäre ein wichtiger Beitrag und würde in Pücklers Sinn viel Aufmerksamkeit generieren. Um es mit David Lehmann zu visualisieren: lassen wir die knallgelbe Pyramide brennen.

www.david-lehmann.de

Foto: Judith Zinnow

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