Vom Rhythmus Brasiliens in deutschen Bilanzen

Vom Rhythmus Brasiliens in deutschen Bilanzen

Oder wie Gleide Selma Krüger an der brasilianischen Atlantik-Küste als Tochter eines Fischers aufwuchs, in Amsterdam über Nacht die Liebe fand und schließlich mit brasilianischem Unternehmertum in der Pücklerstadt Bilanzen aufpoliert.

Gleide Selma mag Fisch bis heute nicht, obwohl sie als Tochter eines Fischereiunternehmers aufwuchs. Ihr brasilianisches Temperament war sicher ein Grund für viele mutige Entscheidungen, die sie schließlich zur Vollblut-Unternehmerin und starken Frau in einer Familie mit jeder Menge Unternehmertum in der DNA machte. Nun begründet sie die erste Community Brasiliens in der Pücklerstadt. Aber eins nach dem anderen ...

Eigentlich wollte Gleide Selma das urbane Aracuja an der brasilianischen Atlantikküste nie verlassen. Die Großstadt hatte zwischen industriellem Herz, endlosen Stränden und Samba jenen Lebensrhythmus, um den wir Deutschen das Mutterland des Karnevals oft beneiden. Die Lebenslust spiegelte sich in ihrer Familie, mit zehn Geschwistern gab es immer Trubel. Das Unternehmen des Vaters ermöglichte Gleide Selma nach dem Abitur ein Studium zum Bachelor of Administration – danach entfaltete sie ihr Sprachtalent in vielen Spielarten des Tourismus. Zwischen Rezeption, Hotelmanagement und Tourismusamt der Küstenstadt reihten sich zum Portugiesisch Kenntnisse in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und ein bisschen Holländisch. Sie wurde schließlich zur rechten Hand des Bürgermeisters und dann zur Parlamentsassistenz beim Gouverneur. Bis zum 29. Geburtstag sah alles nach einem glücklichen Leben und Altern in Aracuja aus, doch zwei Tage danach änderte sich ihr Leben über Nacht.

Vielleicht war es das weltoffene Flair im verrückten Amsterdam, vielleicht auch Schicksal. Als sie hier auf einer Industriemesse ihre Region präsentierte, traf sie auf ihren jetzigen Ehemann. Besser gesagt, der deutsche Unternehmer war von der Brasilianerin so beeindruckt, dass er ihr trotz fehlender Sprachebene mit Faxen und Mimik ein Abendessen abtrotzte, aus dem eine durchzechte Nacht in zwei Dutzend Kneipen wurde. Am Folgetag, zwei Stunden vor ihrem geplanten Rückflug nach Brasilien, machte er ihr einen Heiratsantrag und sie zog zu ihm ins Rheinland. Das war 1999. Ihr zu Liebe änderte der Workoholic sein Leben und verkaufte binnen zwei Jahren seine Firmen. Sie heirateten, wurden Eltern und zogen zwei Jahre später samt Kind und seinem Sohn aus erster Ehe zurück in ihr Aracuja. Offensichtlich ergeben deutsches Unternehmertum und brasilianisches Temperament eine konstruktive Mischung – nun baute sie ein Unternehmen auf und sorgte für Strukturen, in denen er seine Inselkompetenz in Automatisierungsprozessen und dem Aufbau von Firmen ausleben konnte. Zwei Jahre später zählte das Team 30 Köpfe, als sich Gleide Selma wegen der Gesundheit der Kinder und einer vernünftigen Schulbildung wiederum für Deutschland entschied. Die von Banken beauftragte Sanierung großer Firmen führte sie hier zuerst nach Dresden und schließlich im Jahr 2016 in die Pücklerstadt. Ganz in der Nähe sollten Sie einen Betrieb mit Forschung und Entwicklung neu ausrichten, schufen diesmal aber eine belastbare Struktur für die gesamte Familie und machten aus dem Sanierungsfall ein Familienunternehmen. Sein erster Sohn wurde Betriebsleiter und binnen vier Jahren entstand im kleinen Luckaitztal ein Hochtechnologieunternehmen mit eigener Produktpalette im Bereich der Steuerungselektronik. In Cottbus wurde ein zweites Unternehmen im Bereich der Industrieberatung aufgebaut, das inzwischen mit großen Forschungseinrichtungen kooperiert. Dritter Teil des kleinen Familienimperiums ist die nach wie vor erfolgreiche Einheit in Brasilien, von der nun ein Dutzend Ingenieure samt Familien in die Pücklerstadt kommt und mit brasilianischem Temperament ein Hochtechnologieunternehmen aufwachsen lässt.

Gleide Selma hat sich inzwischen mit Cottbus angefreundet. Zwar fehlt der Stadt die gewohnte Größe, dafür sind die Menschen herzlich und sie hat über die Söhne und die Nachbarschaft eine multikulturelle Community mit freundschaftlichen Kontakten aus aller Welt aufgebaut. Ihr gemeinsamer Sohn besucht die Cottbuser Universität und ist fest in die Unternehmen eingespannt. Die ganze Familie ist eine Einheit, auch wenn zwischen den Eltern nach wie vor ein bunter Mix aus Gesten und Mimik die Verständigung dominiert.

Der enorme Fleiß und der Hauch von Cosmopolitik in diesem besonderen Leben hätte sicher auch Pückler inspiriert, der stets offen für das Fremde war und keinerlei Sprachbarrieren kannte. Und wer weiß, vielleicht wird der Cottbuser Karneval künftig eine kräftige Brise Samba von der neuen brasilianischen Community in der Pücklerstadt erhalten. Olá Brasil!

www.ibkb.eu 

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